31. Mai 2005

"Il turco in Italia" – Ein beherzter „Sprung“ in den Orchestergraben

Nach der m.E. musikalisch nicht so erfreulichen Premiere hat es einige Veränderungen gegeben, und in der von mir besuchten fünften Vorstellung am 1. April 2005 fand die schwungvolle und liebevolle Inszenierung endlich auch eine passende musikalische Entsprechung.

Roter Zettel! Die größte Überraschung war nicht die bereits bekannte Erkrankung von Inga Kalna, sondern dass sich nun auch der Dirigent Hofstetter krank gemeldet hat (Gerüchte sprechen allerdings durchaus nachvollziehbar von einer Auseinandersetzung mit dem Orchester). Dirigentin: Irina Hochman. Wer? Eine Erklärung oder Ansage gab es nicht. Nachdem die Ouvertüre wiederum einen etwas zähen und unausgeglichenen Abend befürchten ließ, sprang dann irgendwann der entscheidende Funke über: Tempi, Lautstärke und Zusammenspiel stimmten ebenso wie der Kontakt zur Bühne mit Freiraum für die Sänger, auch das Gespür für die ernste Seite der Geschichte kam zum Ausdruck.

In der Rolle der Fiorilla war die attraktive Yolanda Auyanet zu sehen und zu hören. Dem Vernehmen nach war sie bereits ab der dritten Aufführung – zunächst aus dem Orchestergraben singend – eingesprungen; in der von mir besuchten Vorstellung gab sie ein gutes Rollenporträt, sowohl gesanglich als auch darstellerisch mit großer Bühnenpräsenz, kapriziös und in den traurigen Momenten im 2. Akt anrührend. Die stimmlich viel versprechende Tamara Gura (Mitglied des Opernstudios) führte als Zaida wieder einen gekonnten Bauchtanz vor. Den Prodoscimo sang jetzt – wie vorgesehen – Jan Buchwald mit viel Witz und durchaus geläufiger Gurgel. Der in der Premiere angesagte Tenor David Alegret war auch wieder auf der Höhe, d.h. in der Höhe sehr sicher und schön klingend, ein heller Rossini-Tenor mit leider etwas schwacher Mittellage. Gefeierter Don Geronio war wieder Renato Girolami, kein lächerlicher alter Trottel, sondern ein sympathischer, etwas hilfloser Ehemann, immer um seine Fiorilla besorgt, sei es dass er ihre Haare von den Lockenwicklern befreit – beim letzten Wickler hakt und ziept es dann passend zu den Koloraturen der Fiorilla –, sei es, dass er bei der Versöhnung der beiden sich sofort daran macht, die von Fiorilla in ihrer Verzweiflung wild verstreuten Schuhe wieder ordentlich paarweise zu sortieren. Sogar der Selim von Balint Szabo wirkte lebhafter, Rossinis Koloraturen zu singen ist aber nicht wirklich sein Ding.

Als der letzte Vorhang gefallen war, hörte man auf der Bühne Klatschen, da wurde sicher Frau Hochman gefeiert, die übrigens auch die Folgevorstellung am Sonntag dirigiert hat und auch mindestens noch die nächste Vorstellung am Mittwoch dirigieren wird. Auf meinen dritten Turco am kommenden Sonnabend bin ich echt gespannt.

Und wer ist nun Irina Hochman, erkundigte ich mich nach der Vorstellung bei Orchestermitgliedern auf dem U-Bahnsteig? Korrepetitorin an der Hamburgischen Staatsoper! Ein wirklich schöner Erfolg bei einem mutigen „Sprung“ in den Graben!

Besuchte Vorstellung: 1. April 2005

Mitteilungsblatt der DRG Nr. 34 (Juni 2005)